Mittwoch, 23. Juli 2008

THE DARK KNIGHT (USA, 2008) bester Film aller Zeiten?

Das gibt's doch nicht!?!
IMDB führt ja bekanntlich eine täglich aktualisierte Liste der 250 besten Filme aller Zeiten, basierend auch Bewertungen der User. Jahrelang hielt sich "Der Pate" als Non-Plus-Ultra auf Platz 1, gefolgt von "Die Verurteilten" und "Der Pate II". Ein Wechsel in absehbarer Zeit war so gut wie unmöglich. Doch vor einigen Tagen ist das Wunder eingetreten! "The Dark Knight", die Fortsetzung von "Batman Begins", wird von den IMDB-Usern, immerhin die grösste Filmcommunity im Internet, als bester Film aller Zeiten bewertet!
Die Berechnung des overall-ratings (mehr oder weniger die durchschnittliche Bewertung der User) verstehe ich auch nicht ganz. Fest steht, dass bis jetzt über hunderttausend User abgestummen haben, was in dieser kurzen Zeit verdammt viel ist - auch für IMDB! Zum Vergleich: Am meisten Stimmen hat "Die Verurteilten" mit circa 345'000. Diese Anzahl hat sich aber über Jahre hinweg angesammelt!
Mehr noch: "The Dark Knight" wird durchschnittlich mit 9.4 bewertet. "Der Pate" und "Die Verurteilten" bekommen die Note 9.1. Das sind 0.3 Differenz zwischen Platz 1 und Platz 2/3, während ein weiterer "Abstieg" um 0.3 (also von 9.1 auf eine Bewertung von 8.8) ganze 11 Filme bzw. Plätze umfasst! Jede Dezimalstelle in der Bewertungskala von 9.1 bis 7.9 ist in der Liste dutzendfach vertreten, 249 Filme verteilen sich darauf. Einzig "The Dark Knight" lässt alles bisher dagewesene mit einem riesigen Abstand von 0.3 hinter sich!
Mit anderen Worten: Entweder wir haben ein ohne jeden Zweifel epochales Meisterwerk vor uns, oder ein ... „gesellschaftliches“ Phänomen! Ich werd nämlich das Gefühl nicht los, dass das ganze zu sehr durch Emotionalitäten geprägt ist, die nichts mit dem Film an sich zu tun haben. Die Welt betrauert Heath Legers Tod und flüchtet sich in die überschwengliche Schaffung eines Mythos. Ich meine wie kommt es, dass ein Actionfilm die grossen Epen übertrifft? Nicht, dass ich persönlich besonders viel von "Der Pate" halte, aber es beruht nunmal auf jahrelanger Erfahrung, dass Epen besser bewertet werden als Actionfilme. Auch wenn ich "Batman Begins" für eine der besten Comicverfilmungen überhaupt halte (was mittlerweile was zu bedeuten hat!), Christopher Nolan und Christian Bale vergöttere, kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Film derart gewaltig ist, wie uns die Statistik weiss machen will. Natürlich fänd ich's klasse, klammere mich aber bis zur Sichtung des Streifens am Boden fest.
In diesem Sinne steht für mich felsenfest, dass das overall-rating von "The Dark Knight" in den nächsten Wochen sinken wird. Der Film kann dieses Rating-Niveau unmöglich über die 300'000er-Grenze hinweg halten! Ein Platz unter den ersten zwanzig dürfte inzwischen jedoch Fakt sein.
Aber ist es nicht bemerkenswert, wie im Zeitalter des kollektiven Internetvotens gestandene Meisterwerke wie "Der Pate" temporär und quasi über Nacht vom Thron gestossen werden können?

Montag, 21. Juli 2008

KUNG FU PANDA (USA, 2008) - Filmkritik

Positiv:
  • bombastisches Non-Stop-Gag-Feuerwerk
  • brilliante Animationen (stimmige Mischung aus comichaftem Design, cartoonhafter Animation und "realistischer" Mimik)
  • herrlich überzeichnete Figuren
  • dank niedrigem Gewaltgrad auch für die ganz Kleinen geeignet!
Negativ:
  • Story ist zwar solide inszeniert, wirkt aber noch etwas zu sehr wie eine Abfolge von Gags
Kunf Fu Panda ist einer der Filme, die ich eigentlich nie im Kino sehen wollte. Nicht erst beim Trailer hats mir abgelöscht. Das wirkte alles so hahnebüchern und ausgelutscht, ganz einfach ausschliesslich für kleine Kinder ohne grosse Ansprüche geeignet zu sein. Schliesslich überredete mich ein Kumpel, der den Film sogar zum zweiten Mal sehen wollte, dazu!
Was soll man sagen ... der Film geht von der ersten bis zur letzten Minute praktisch nur ab! Nicht, dass die Story gross beflügelt (klassische Heldengeschichte ohne grössere Überraschungen oder besonderen Tiefgang), aber das temporeiche, in jedem Moment köstliche Non-Stop-Gag-Gewitter lässt selbst den erfahrenen Zuschauer eine originellere Geschichte nicht wirklich missen. Manch einer mag hier trotzdem konstatieren, dass das ganze noch etwas zur sehr wie eine Aneinanderreihung von Sketches wirkt, als wie ein storygetriebener Film.
Die Gags werden anderseits wieder mit ebenso spassiger, bombastischer Action gewürzt. Eigentlich braucht man sich nicht mal besonders für das Setting zu interessieren, um in den Genuss des Films zu kommen. Das gilt auch für den grafischen Stil, der mich persönlich gar nicht angezogen hat. Doch die anfängliche Abneigung schlug angesichts der bewegten Bilder (im Film, nicht im Trailer!) sofort in Wohlgefallen um. Es ist natürlich nicht so, dass die Schauplätze und Figuren durch Fotorealismus berauschen, aber sie tun dies mindestens ebenso sehr mit ihren herrlich überzeichneten Animationen, welche hinsichtlich ihrer cartoonhaften Gestik und Mimik sogar fast beispiellos sind. Die Kraft der comichaften Abstraktion wird also bravourös ausgenutzt.
Man kann hier Kung Fu Panda durchaus mit Madagascar vergleichen, welcher mit seinen Animationen ebenfalls meisterhaft vorwiegend das comichaft Abstrahierte in Szene setzte, als eine ausserordentlich spannende Geschichte zu erzählen. Im Gegensatz zu Madagascar geht Kung Fu Panda aber nach einer Weile nicht die Puste aus. Im Gegenteil, die Geschichte schreitet beständig voran und die Figuren werden mit der Zeit umso liebenswerter. Kitsch (oder: Gefühle für Kinder?) gibts nur zwischendurch und meist werden selbst emotionale Szenen frech augenzwinkernd auf die Schippe genommen. Witz steht generell vor Action und Spass vor Ernst.
Der Film funktioniert zu einem grossen Teil auch über den erstaunlich liebenswerten Protagonisten Po so gut (hab den Film nur auf Englisch mit Jack Blacks grandioser Arbeit gesehen!). Neben dem resignierten, desillusionierten Meister Shifu und dem sich geistig etwas über den Wolken befindlichen Grossmeister Oogway, soll hier auch der Bösewicht spezielle positive Erwähnung finden. Dieser ist mit einem Wort: eindrucksvoll. Schon klasse, wie er gänzlich ohne die, selbst von Walt Disney mittlerweile gewohnte, für die ganz kleinen Zuschauer eher ungeeignete Grausamkeit auskommt und den Zuschauer dennoch mit Ehrfurcht reagieren lässt. Die Miezekatze geht auch übelst ab, wenn man beispielsweise an ihre Flucht aus dem Gefängnis denkt! Meckern würde ich am ehesten über die fünf Kämpfer. Die sind mir noch zu sehr Staffage bzw. bleiben zu blass. Selbst die Löwin, welche eine zentrale Rolle für die Geschichte einnimmt, fasziniert bedeutend weniger als ihre Meister. Trotzdem ist zumindest in technischer Hinsicht auch hier die Liebe zur Arbeit ungebrochen spürbar.
Insgesamt handelt es sich einfach um einen überaus charmanten, "richtigen" Familienfilm, d.h. einen der nicht nur für die Kleinen geeignet ist.

Fazit: Ein blendend animiertes, fast pausenloses und treffsicheres Gag-Feuerwerk, das nicht nur für die Kleinen geeignet ist! Daür gibts von mir 5 von 6 Punkte.

Freitag, 11. Juli 2008

JOHN RAMBO - uncut (USA 2008) - Filmkritik

Positiv:
  • stimmige, wuchtige Inszenierung
  • schockierende Schonungslosigkeit bei der Gewaltdarstellung
  • zufriedenstellender Stallone
  • glaubwürdige und interessante Söldner (Nebenfiguren)
  • heftigster Showdown

Negativ:
  • kurze, sehr abgedroschene Story ohne Überraschungen
  • brechreiz-erregend klischeebeladener "Bösewicht"

Bei Rambo sollte man seit dem zweiten Teil wenig an Story erwarten, dafür umso mehr an Action! Der vierte Teil geht bei letzterem einen schockierenden Schritt weiter und präsentiert Violence And Bloodshed in, selbst für die heutige Zeit, rabiatester Weise. Ich glaube, ich hab schon seit Saving Private Ryan nicht mehr soviele Menschen unter der archaisch zermalmenden Kugelgewalt verenden sehen. Tatsächlich rangiert John Rambo momentan auf Platz 9 der Filme mit den meisten onscreen Todesfällen (Anzahl: 247; vgl. hier), lustigerweise direkt hinter Saving Private Ryan (255)! Rambo selbst erledigt nachweislich allein im vierten Teil 87 Typen selbst und schafft es damit auf Platz 6 der tötungslustigsten Filmfiguren (vgl. hier).

Eigentlich ist der Film ja nichts besonderes. Er ist für einen Actionfilm viel zu kurz (87 min), seine Figuren machen sozusagen keinen Wandel durch und er erzählt eine völlig abgedroschene Geschichte. Aber wie er erzählt, ist überraschend gut gelungen! Es gibt nur wenige Momente, die mir irgendwie negativ auffielen. Hierzu zählen zweifelsohne alle Szenen, worin der "Bösewicht" stümperhaft einen auf ganz ganz bösen Burschen macht, indem er die meiste Zeit einfach nur mit Sonnenbrille ganz ganz cool an seiner Zigarette raucht, während seine Soldaten Greueltaten begehen. Grauenvoll klischeebeladene Eindimensionalität par excellence! Sowas nimmt diesen äusserst wichtigen Szenen einfach nur die Intensität. Der Film zeigt mit den Söldnern (v.a. dem Anführer) ja, dass es neben Rambo auch noch andere glaubwürdige Figuren geben kann. Sie sind zwar grobschlächtig, aber keine Wahnsinnigen. Zähe Veteranen, aber keine unverwundbare Kampfmaschinen. Stallone selbst macht seine Arbeit zwar nicht hervorragend, aber gut. Er kommt endlich wieder etwas mehr wie ein kriegsgebeutelter Veteran rüber, nicht bloss wie eine Actionfigur wie in Teil 2 und 3.
In technischer Hinsicht kann man dem Film nichts vorwerfen. Die Action sieht super aus und ist über weite Strecken im besten Sinne packend inszeniert und das, ohne sich die ganze Zeit ausschliesslich auf die Schockwirkung der oben erwähnten Gewalt zu verlassen. Persönlich fand ich beispielsweise die Szene sehr spannend, wo Rambo und die Reisegruppe mit ihrem Boot ganz leise am Piratenlager vorbeifahren und welche völlig ohne Action auskommt.
Trotzdem sind die schockierenderen „Gewaltsequenzen“ für mich eindeutig die Stärke des Films. Eigentlich werden in John Rambo ja weniger neue Tabus gebrochen (alles hat man schon mal hier und dort gesehen), diese aber auf ungleich kompakte und schonungslose Weise in wenigen Augenblicken zusammengebracht, dass man schon mal über ne Minute lang das Blinzeln vergisst. Dabei fokussieren Kamera und Schnitt fast nie die Gewalt an sich, sondern diese geschieht wie beiläufig, aber visuell (direkte Auswirkungen) und akustisch eindrücklich. Diese krassen Eindrücke summieren sich und so geht zumindest in zwei Sequenzen (Massaker und Showdown) die Kinnlage unweigerlich und beständig nach unten. Diese Art der Gewaltdarstellung ist natürlich nichts neues, sondern erinnert mich stark an jene in Filmen von Ridley Scott (z.B. Gladiator, Black Hawk Down, Hannibal, Kingdom of Heaven) und Kriegsgeschichten von Steven Spielberg wie Saving Private Ryan oder Band of Brothers. Natürlich ist John Rambo einiges farbenfroher als letztere, verwehrt sich aber den geleckten, knallbunten Bildern eines 300 und dessen geschmeidiger Kampfaction. Statt dessen wird, und das ist einer der Punkte, die so sehr an Spielbergs Kriegsfilme erinnern, reger Gebrauch von progessiven Filtern gemacht, welche das Schlachtgetümmel optisch etwas abgehackt aber immer noch realistischer erscheinen lassen. 300 blieb für mich mit seinem Comic-Look und der Tendenz des Kampfgeschehens zum plakativen Todes-Ballett ohnehin noch zu sehr auf der ästhetischen Ebene und war deshalb weniger eindrücklich als John Rambo, der allgemein mehr auf Realismus setzt.
Bereits die Kinoversion von John Rambo war gelinde gesagt: ultrabrutal. In der uncut-Fassung finden nun nochmals zwei Minuten Gewaltmaterial wieder in den Film. Während das Massaker im Dorf schon im Kino ungekürzt war (!), erhält der Schluss“kampf“ eine Minute ausschliesslich sich explosiv im Raum verbreitenden Bluts zurück und wird für mich dadurch aufgewertet. Schliesslich soll der Höhepunkt eines Filmes ja nicht in der Mitte stattfinden (Dorfmassaker), sondern am Ende! :)
Eins ist aber sicher: meine minderjährigen Geschwister kriegen den Film auf keinen Fall zu sehen!

Fazit: Für mich haben sie Rambo völlig zufriedenstellend in unsere Zeit gebracht und gezeigt, dass auch noch eindrückliche, ultrabrutale Actionfilme jenseits von Comicverfilmungen möglich sind. Rambo-Fans und Anhänger härtester „realistischer“ Kriegs-Action dürften nicht enttäuscht werden! Dafür gibts von mir fünf von sechs Punkten.

Freitag, 4. Juli 2008

MASS EFFECT (PC) - Gamekritik

Positiv:
  • unvergessliches, extrem detailverliebtes und glaubwürdiges Universum
  • aussergewöhnlich spannende, wahrlich epische, immer wieder überraschende Story mit furiosem, restlos überzeugendem Finale
  • phänomenales Figurendesign (sowohl optische Erscheinung, als auch Persönlichkeit) mit unglaublich lebensechter Mimik und Gestik (gleichermassen Mensch und Alien!)
  • brilliant geschriebene, flexible Dialoge mit konsequenten moralischen Konflikten und spürbaren Auswirkungen der Entscheidungen des Spielers
  • insgesamt ausserordentlich gute deutsche Lokalisierung (stimmlich v.a. Ashley, Joker und die Sovereign)
  • Schwierigkeitsgrade (5 verschiedene) jederzeit wählbar


Negativ:

  • Nebenmissionen definitiv zu monoton (identische Levebauten) und zu unspektakulär bzw. ereignisarm (wenige wirklich interessante Subplots bzw. wenig Narration)
  • Story (Hauptmissionen insgesamt) für ein RPG definitiv zu kurz
  • zu einfach; Gegner sind zu schwach (beim ersten Spieldurchlauf kann man den 4. und 5. Schwierigkeitsgrad nicht auswählen) und man wird viel zu schnell viel zu reich
  • Universum wirkt noch zu unbelebt (zuwenig Aktivität in zuwenigen begehbaren Städten)
  • Gruppenmitglieder reagieren nicht immer auf Befehle

Wie lange hat der science-fiction-versierte Rollenspiel-Fan gewartet. Ständig kamen diese reinrassigen mittelalterlichen Fantasy-Games, die man zwar gerne spielte, welche schlussendlich aber nur die Sehnsucht nach Sci-Fi nährten. Dann, vor ein, zwei Jahren, nachdem klar wurde, dass sich BioShock in eine groteske Vergangenheit verlagerte und STALKER eher in einer apokalyptischen Gegenwart angesiedelt war, zeichnete sich plötzlich die Silhouette eines Hoffnungsträgers ab: Mass Effect! Von niemand geringerem als BioWare, dem quantitativ wie qualitativ geliebten Rollenspiel-Spezialisten. Und die in das Spiel gesetzten Erwartungen wurden in vielerlei Hinsicht auf brilliante Weise eingelöst.


In diesem Sinne zuerst einmal: Danke BioWare, dass ihr ein so wunderbares Universum geschaffen habt! Nicht nur ist Mass Effect reinrassige Sci-Fi (wenn es das überhaupt gibt), sondern es ist, für ein Computer-Spiel, fantastische Hard Sci-Fi! Lange ist es her, seit ein futuristisches Universum in diesem Masse durchdacht war und erläutert wurde. Mit anderen Worten: so glaubwürdig war. Danke auch, BioWare, dass ihre im Gegensatz zu Final Fantasy XII, in erster Linie an die Story gedacht und etwas dementsprechend besonderes geschaffen habt! Danke dafür, dass die Figuren des Spiels dermassen faszinieren, sowohl von der äusseren Erscheinung her, als auch von ihrem Charakter und dies gleichgültig, ob es sich um menschliche oder extraterrestrische Individuen handelt. Danke schliesslich, dass ihr mir im Gegensatz zu BioShock die Freiheit auch tatsächlich gebt, anstatt weitgehend leere Versprechungen zu machen. Das fängt bereits mit dem übersichtlichen, aber dennoch vielseitigen Figuren-Editor an.
Kurz gesagt: Mass Effect macht verdammt viel verdammt richtig!
Bereits bei obiger punktuellen Auflistung fällt aber auf, dass es immer noch einige negative Aspekte gibt, die ich im folgenden, mehr noch als die positiven Aspekte, ausführen will. Dies soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass ich das Spiel insgesamt für brilliant halte und mich dermassen in sein Universum, die Story und meine Partymitglieder verliebt habe, dass ich das Game mit fünfeinhalb von sechs Sternen bewerte. Hätte BioWare nur einige der genannten negativen Punkte ausgemerzt, wie der eher zurückhaltende Einbezug der Gruppenmitglieder in den Hauptplot, würde ich sofort uneingeschränkt von einem Sci-Fi-Meisterwerk sprechen.
Beginnen wir mit der Kritik gleich bei der Spielwelt. Wie bereits angetönt, ist das eigens für diese Trilogie geschaffene Universum an und für sich eine kleine Offenbarung. Theoretische Grundlage bildet eine spielinterne, umfassende Enzyklopädie, genannt Kodex. Ein Grossteil der Glaubwürdigkeit geht allein vom darin textuell vermittelten Wissen aus (lest also bloss fleissig!). Doch leider ist der Kodex absolut optional und die daraus erziehlten Kenntnisse für das Verständnis des Spielgeschehens meistens zwar hilfreich, aber nicht nötig. In diesem Sinne funktioniert mir das Universum als in einem Rollenspiel besonders wichtiger Inhalt noch zu sehr über den Kodex. Ich hätte diese Exposition lieber über die Narration im Spiel oder Zwischensequenzen, und weniger über isolierte, optionale, textbasierte Enzyklopädien. Im Vergleich zur theoretischen Basis wirkt die konkrete Spielwelt (deswegen) schlicht noch zu unbelebt. Man kann insgesamt nicht nur zuwenig Städte besuchen, sondern erhält in diesen auch zuwenig Einblick in den Alltag des Universums, selbst in Citadel, sodass man rein von der Inszenierung der konkreten Spielwelt her kein wirkliches Gefühl für das reich bevölkerte, konfliktgeladene Universum bekommt. Hier hat beispielsweise ein durchaus vergleichbares Spiel wie Fable deutlich mehr überzeugt.


Die zentrale Story des Spiels, welche über die Hauptquests erzählt wird, hält in puncto Rasanz und Intensität, Epik und Existentialität locker mit den grossen Genrevertretern (Final Fantasy XII lässt es in dieser hinsicht beispielsweise weit hinter sich) mit und fesselt einen unweigerlich immer wieder mit ihren moralischen Konflikten. Die Inszenierung der Hauptquests sollte jeden vollends begeistern. Ich denke treffend gesagt verschmilzt die Geschichte mit dem genialen Universum und den faszinierenden Figuren zu einem unvergesslichen Spielerlebnis. Es gibt so einige unvergessliche Momente, von denen hier das monumentale Finale, bei dem nochmals alle Register gezogen werden, besondere Erwähnung finden soll. Monumantale Veränderungen im Universum, echte Dilemmas bei den Entscheidungen, noch aufwendigeres Leveldesign und epische Zwischensequenzen – genauso wollen wir das bei einem richtigen RPG! Der Showdown und Epilog verschaffen eine unheimlich zuversichtliche Vorfreude auf den Nachfolger.
Trotz der inszenatorischen Finesse und der vielschichtigen, existentiellen Geschichte, bleibt ihre Kürze zweifelsohne ein Wehrmutstropfen. Denn um richtig in einer Rollenspiel-Welt zu versinken (oder: für ein wirklich erfülltes Rollenspiel-Erlebnis), brauche ich einen Hauptplot, der mich länger als zwanzig Stunden fesselt. Am liebsten über mehr Hauptmissionen bei gleichbleibendem Spannungslevel und gleichbleibender Missionslänge. Klar, die Rasanz wird leiden, aber ich muss in einem Rollenspiel nicht so zielstrebig vorankommen, wie in einem Ego-Shooter. Ich will lieber intensiv die Spielwelt, die zentralen Figuren und deren Konflikte erleben. Wieso baut BioWare nicht noch einige Subplots ein bzw. verwebt einige der besseren Nebenmissionen mit den zentralen Aufträgen? Beispielsweise die optionalen Missionen für Wrex (Rüstung) und Garrus (Doktor „Mengele“). Auf diese Weise verbringe ich auch automatisch mehr Zeit mit diesen. Meine Mitkämpfer, gerade wenn sie solch über alle Zweifel erhabenen Persönlichkeiten sind, wie in Mass Effect, gehören als Teil der treibenden Kraft der Hauptstory ohnehin noch mehr in den Hauptplot. Ich will ihnen nicht ständig (auf der Normandy) nacheilen, um mit ihnen etwas zu erleben. Sie sollen noch aktivere Figuren sein und, zusätzlich zu den spontanen Kommentaren, vermehrt selbständig Ereignisse auslösen.


Nebst der Quantität des Hauptplots stösst die Qualität der Nebenmissionen auf kollektiv geteilte Kritik. Sie sind aber der einzige „richtige“ Kritikpunkt an Mass Effect. Dafür gibt es drei triftige Gründe:
Erstens die Levelbauten. Während die Locations der Hauptissionen sehr detailverliebt und abwechslungsreich gestaltet wurden, sind die Hauptquartiere, Bunker, Tunnelsysteme und Schiffe der Nebenmissionen von der Grundstruktur her jeweils identisch. Lediglich die individuelle Inneneinrichtung (Kisten und Geräte) ermöglicht eine Unterscheidung.
Zweitens der Mako. Dieser steuert sich am PC zwar recht spassig, ist meiner Meinung nach aber noch zu mächtig. Erst etwa 85° Steigung halten ihn auf, während ein Aufprall aus 50 Meter Höhe auf die Oberseite des Gefährts sogar ohne jeden Schaden bleibt. Auf diese Weise wird die an und für sich völlig zufriedenstellend designte Landschaft zur Nebensache. Man nimmt sie gar nicht richtig wahr. Mir ist schleierhaft, wieso man den Mako nicht schwächer, aber dafür aufrüstbar gemacht hat.
Drittens die Missionsstories. Angesichts des kurzen Hauptplots gibt es verhältnismässig zuwenig Nebenmissionen, die eine wirklich interessante kleine Geschichte erzählen (z.B. Kampf gegen KI beim Händler auf Citadel; Mann auf Schiff im ewigen Kryoschlaf; Nebenmissionen von Wrex und Garrus; Cerberus). Meistens gibt es zudem während dieser Missionen fast keine Narration in Form von Zwischensequenzen oder Dialogen. Selbst die spontanen Kommentare der Gruppenmitglieder in den Hauptmissionen bleiben aus. Anderseits hört man im Fahrstuhl der C-Sicherheit auf Citadel Radioberichte über die Taten des Spielers, jedoch nur dort.
Insgesamt sind die Nebenquests aufgrund dieser drei Defizite definitiv zu eintönig und ereignislos ausgefallen. Sie verkommen mit der Zeit sogar zur Pflichtübung: Nach Abwurf Blick auf Karte, dann mit dem Mako ungehindert schnurgerade auf den Zielort rasen, dann auswendig gelerntes Gebäude stürmen und säubern, schliesslich Missionsende ohne weiteres Ereignis. Auf diese Weise geht ein nicht unwesentlicher Teil der herrlich geheimnisvollen Atmosphäre verloren, welche in den intensiven Hauptmissionen entstanden ist. Es hört sich hier aber schlimmer an, als es schlussendlich ist. Man spürt immerhin bereits ganz klar, dass die Idee der Nebenmissionen (mit Mako unbekannte Planeten erforschen) und damit verbundene, unheimlich fruchtbare Stimmung "Allein-auf-dem-Mond" absolut funktionieren und das Spielerlebnis entscheidend bereichern könnte. In diesem Sinne kann BioWare beim nächsten Teil ohne viel aufhebens punkten. Hoffentlich warten sie auch gleich mit einem selbst steuerbaren Raumschiff auf. So könnte man ein potentiell noch besseres Gefühl für das Universum bekommen.


Das Ballern (hab das Spiel nur einmal als Infiltrator und ausschliesslich mit Scharfschützengewehr, Grataten und Pistolen gelöst), geht wunderbar eingängig vonstatten. Dank der unzähligen Upgrades und Munitionsarten wird eine traumhafte Tiefe hinsichtlich der Ausrüstung und Bewaffnung erreicht. Auch taktisch tun sich erfreulich viele Möglichkeiten auf. Schade nur, dass die Teammitglieder nicht immer exakt auf Befehle reagieren. Das eigentliche Problem ist aber, dass das Spiel noch zu leicht ist, selbst auf dem 3. Schwierigkeitsgrad (4 und 5 sind beim ersten Durchspielen noch nicht auswählbar). Zum einen sind die Gegner schlicht zu schwach, zum andern wird man extrem schnell viel zu reich. Das ganze Handelssystem wird dadurch komprommitiert.
Man merkt also, dass in Mass Effect noch reichlich ungenutztes Potential steckt. Ich hoffe nun, dass sich BioWare auch weiterhin an seine Tugenden hält und die Story im nächsten Teil nicht plötzlich zu kurz kommen lässt. Die Grafikengine und viele Teile des Universums stehen ja bereits, sodass einem weiteren dermassen fesselnden Abenteuer wenig im Weg stehen sollte.

Fazit: Ein fantastisch erzähltes, wahrhaft episches Hard-Sci-Fi-Abenteuer in einem grandiosen Universum. Leider vermag das Design der Nebenmissionen nicht in diesem Ausmass zu überzeugen. Dennoch schlicht und einfach ein Muss für jeden Science-Fition-Fan! Und definitiv eines der besten drei Spiele des Jahres!