Dienstag, 7. Oktober 2008

EAGLE EYE (USA, 2008) - Fragen über Fragen


Hab vorgestern „Eagle Eye“ geguckt und mich eigentlich sehr gut unterhalten. Der Film hat einige verdammt spektakuläre Action-Szenen und die ganze Zeit über ein ordentliches Tempo. Ausserdem übt er eine erfrischende Kritik an der eigenen Regierung aus. Das „erste“ Ende ist spitze, doch leider mussten die Amis noch ein unglaubwürdiges „zweites“ Ende einfügen – sicherlich nachträglich, weil das Testpublikum nicht zufrieden war. Viel zerstörerischer sind aber die teilweise gravierenden Logik-Lücken. Ich hab hier mal ein paar aufgelistet:

***Spoiler-Time!!!***

Wie konnte die KI die Stromleitungen wegsprengen? Sollte das über einen besonders starken Stromimpuls machbar sein?

Wieso hat die ultra-logische KI die wichtigste Person für ihren Plan überhaupt, den Protagonisten, derart, selbst von einem Supercomputer unkalkulierbaren, Risiken ausgesetzt und ihn quasi ALLES für sich erledigen lassen? Wieso sollte es nicht dafür geeignetere Personen geben?

Wieso haben die Überwachungskameras eine derart hohe Auflösung, dass sich damit sogar über die Vibrationen in einer Kaffetasse das Gesagte errechnen lässt, während eine Militärdrohne es nicht einmal fertig bringt, das Gesicht eines Verdächtigen (die Zielperson zu Filmbeginn, der Auslöser der ganzen Story!) erkennbar abzubilden?

Wieso sollte der total abhörsichere Raum ein Fenster haben? Wieso sollte eine Videokamera auf dieses gerichtet sein? Und wieso in Gottes Namen verdunkeln die Agenten das Fenster nicht, wo sie doch genau wissen, dass sie beobachtet werden?

Wieso sollte ein derart effizientes System wie die KI über solch lahme optische Informationsverarbeitungskomponenten funktionieren und eine derart lächerliche Schwachstelle wie das exponierte, mit einer Stange von Hand zerstörbares „Auge“ haben? Wieso haben die Menschen nicht einfach gleich das „Auge“ umgenietet?

Montag, 6. Oktober 2008

Zwei Extended Editions zum Heulen



Alternative Filmfassungen wie Director's Cuts, Extended, Unrated oder Uncut Editions halte ich im allgemeinen für eine gute Sache. Sie eröffnen (leider erst auf DVD) dem Regisseur die Möglichkeit, den Film in der ursprünglich vorgesehenen Fassung abzuliefern, was sich in vielen Fällen als die bessere Wahl bestätigt. Peter Jackson hat mit seinen Exdended Editions der Herr der Ringe-Trilogie bewiesen, dass ein ohnehin fantastisches Filmerlebnis noch vollends abgerundet werden kann. Antoine Fuqua, Wolfgang Petersen und Ridley Scott haben mit ihren Director's Cuts von King Arthur, Troy und Kingdom of Heaven gezeigt, wie man aus durchschnittlichen bis guten Filmen ausgezeichnete Filme macht. Die Kinoversion wird hier völlig überflüssig, gehört eigentlich nichts weiter als vergessen. Andere Releases wie der Director's Cut von LA Crash oder von Donnie Darko sind dagegen nutzlos bzw. schlechter. Hier kommen schon eher die Geldmacherei-Fragen ins Blickfeld.
Doch es gibt alternative Fassungen, die schlicht verboten gehören, weil sie technisch unter aller Sau verwirklicht wurden. Deren neues Material unterscheidet sich so überdeutlich vom ursprünglichen, dass man jedes Mal unweigerlich aus dem Film gerissen wird, wenn neu eingefügte Szenen kommen. Zwei solche Beispiele sind der Director's Cut von Zwei Glorreiche Halunken und die Extended Edition von Independence Day.


Zwei Glorreiche Halunken (Schnittbericht)
Das ursprüngliche Filmmaterial weist eine für damalige technische Verhältnisse charakteristische Klangfärbung (leichtes Hintergrundrauschen, flacher Bass, Monoton usw.) auf. Es hört sich einfach wie ein alter Western an, was auch mit Digitaltechnik nur mühevoll zu beseitigen ist. Vom Bild, Schnitt, der Musik und den Geräuschen her ist die neue Version tadellos. Das was die deutsche Lokalisierungsstelle jedoch dazu beiträgt, ist eine Vergewaltigung des Western-Meisterwerks. Sie hat für die neuen Szenen nicht nur Sprecher besetzt, die stimmlich überhaupt nichts mehr mit den originalen gemein haben, sondern auch nichts unternommen, die neuen Stimmen den alten technisch anzugleichen, geschweige denn in die restliche Klangfärbung des Werks einzufügen. Sämtliche neue Textpassagen kommen mit völlig filmfremder Klarheit und Sattheit daher. Wenn eine neu eingefügte Szene kommt, versteht man erstmal die Welt nicht mehr, weil es akustisch ein ganz anderer Film zu sein scheint. Von Diegese kann nicht mehr die Rede sein. Zur Veranschaulichung habe ich zwei kurze Filmausschnitte online gestellt (vgl. Videoclip).
Auf die englische Tonspur, die gottlob auch auf der DVD enthalten ist, trifft dies natürlich nicht zu, so dass hier jedem DRINGENST empfohlen sei, diese zu aktivieren. Auch wenn es generell eine Tugend sein mag, Filme in der Original-Sprache anzusehen, erwarte ich, dass die deutsche Tonspur mindestens akzeptabel ist. Nicht nur weil die Deutschen im internationalen Vergleich einen verdammt hohes Niveau bei Synchronisationen haben, sondern einfach weil ich dafür bezahle. Der Effekt ist bei jedem modernen Fernseher natürlich noch viel stärker, als auf diesem Bitraten-Schwachen Clip.


Independence Day (Schnittbericht)
Das zweite ist die sowohl auf Englisch (!) wie auch auf Deutsch peinlichst dilettantische Special Edition von Independence Day. Hier wurde also schon am Ursprung gepfuscht. Zunächst mal sind die Szenen an und für sich nicht nur überflüssig, sondern deutlich kontraproduktiv. Sie geben den Figuren und dem Film insgesamt nichts zusätzliches, sondern sind bisweilen einfach nur dämlich. Vor allem aber bremsen sie auf übelste Weise das herrliche Tempo des Films. Denn nebst ihrer inhaltlich nicht vorhandenen Legitimation ist die technische Realisierung in beiden Sprachversionen eine Zumutung. Der Schnitt der neuen Szenen passt überhaupt nicht zum Rest des Films und scheint von totalen Anfängern zu stammen. Grobe Continuity-Fehler irritieren, da der Film ansonsten völlig auf Continuity setzt (vgl. weiter unten). Die Musik hält bisweilen einfach an und setzt dann wieder ein, sobald Material der Kinoversion kommt. Schliesslich hat es die verantwortliche deutsche Synchronisierungsstelle trotz der zeitlich vergleichsweise nahen Veröffentlichung nicht bewerkstelligen können, durchgehend die richtigen Sprecher zu engagieren. Die Stimme von Will Smith alias Cpt. Steven Hiller ist leider sogar katastrophal falsch besetzt.Diese Extended Edition ist nicht nur überflüssig, sie ist einfach eine Schande. Sie kann nicht vom Regisseur gewünscht worden sein, geschweige denn vom Cutter oder Komponisten.
Das Ärgerlichste am ganzen: Die Kinoversion ist käuflich fast nicht mehr zu erwerben. Die HD-Releases sind aussliesslich mit Extended Edition ausgestattet. Ein Meisterwerk des reinrassigen Popcorn-Kinos scheint sehr schlecht konserviert zu werden.

Nachfolgend noch die detailliertere Beschreibung der ausgewählten Szenen aus ID4:
Ausschnitt 1: "...mit dem gleichen negativen Ergeb-" wird eine halbe Sekunde zu früh stumm gestellt. Nachdem der älteste Sohn den Vater herwinkt, setzt plötzlich der Ton für eine Sekunde aus. Ausserdem unsauberer Tonübergang vom Innenbereich des Wohnwagens zur offenen Tür. Ansonsten Katasprophales non-continuity-editing (Haltung vom Vater und seiner Tochter unmittelbar nach Schnitten beachten), wobei der Film ansonsten vollkommen auf Kontinuität setzt. Stimmen von der Tochter und dem Jungen wirken völlig deplaziert, sie passen nicht zur Umgebung und befinden sich in puncto Lippensynchronität noch im Rohschnitt bzw. auf Amateurniveau!
Ausschnitt 2: Beim Übergang vom Aussenbereich der Area51 zum Raumschiff wird die Musik einfach abgewürgt und das Knallgeräusch abgeschnitten. Akustik im Raumschiff und Stimmen wirken wie aus einer TV-Produktion (hören sich immer gleich an, egal wie nah die Kamera ist, sogar wenn sie ausserhalb des Schiffes ist, wobei Aussengeräusche einfach hinzu gemischt werden), vor allem wenn man sie mit jener aus späteren Szenen vergleicht. Sowieso fragt man sich, was diese total bescheuerte Szene im Film zu suchen hat. Danach wieder draussen: Peinlichster und verwirrender Wechsel der Stimme für Will Smith alias Cpt. Steven Hiller. Nur Schrittgeräusche von einer Person sind vereinzelt zu hören, auch wenn zwanzig Leute im Bild laufen. Ausserdem werden Hintergrundgeräusche einer Grossstadt (mit Hupgeräuschen aus dem Hochhausdschungel!) und einer Menschenmenge für das Treiben auf dem Aussenareal des Militärkomplexes verwendet! "Ungefähr seit drei Stunden" kommt innerhalb von wenigen Sekunden fälschlicherweise zweimal und wird noch dazu unter aller Sau ausgeblendet. Schliesslich, um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, setzt plötzlich wieder die Musik und völlig andersartige (viel passendere) Akustik der originalen Kinofassung ein – mitten in der Szene! Erneut: Von Diegese kann nicht mehr gesprochen werden. Von befremdlichen Gewaltvorstellungen seitens des Zuschauers umso mehr!