Samstag, 22. November 2008

Das Schwinden printmedialer Videozeitschriften

Nachfolgend kommt noch meine schriftliche Übung, die ich vor ein paar Wochen am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich (IPMZ) abgegeben hab. Dabei handelt es sich um eine reine Literaturarbeit zum Einfluss des Internets auf den Bereich der Videospielzeitschriften. Die Arbeit ist inzwischen angenommen worden und ich hab die letzten Korrekturen durchgeführt. Viel Spass!


1 Wachsende Popularität des Mediums versus schwindende Leserzahl der Zeitschriften

Laut einer PricewaterhouseCoopers-Studie von 2008 wird der internationale Videospielemarkt bis 2012 „mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 10,3 % auf 68,3 Milliarden US-Dollar zulegen.“ Am schnellsten wachsen die Märkte in Europa und Asien. Als zweitgrösster Markt in Europa wurde 2007 in Deutschland ein Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar erreicht, der sich Schätzungen zufolge bis 2012 auf 4,1 Milliarden Dollar steigern soll (vgl. PricewaterhouseCoopers 2008).

Der Verkaufsstart des Videospiels „Halo 3“ beispielsweise, das bisher ausschliesslich auf der Spielkonsole „XBOX 360“ erschien, erwirtschaftete allein in den USA 170 Millionen Dollar bei geschätzten 30 Millionen Produktionskosten (vgl. Dasgupta 2008). Damit hat das Videospiel nicht nur den erfolgreichsten Verkaufsstart eines Produktes im gesamten Unterhaltungsbereich in den USA erreicht, sondern dort ebenfalls die Einnahmen des erfolgreichsten Kinostarts, jenen von „The Dark Knight“, der 158 Millionen einspielte und 185 Millionen kostete, hinter sich gelassen (vgl. Box Office Mojo 2008).1

In diesem Sinne überrascht es, dass der Videospielemarkt in Deutschland in den letzten Jahren zwar enorm gewachsen ist, die Verkaufszahlen von printmedialen Videospielezeitschriften sich aber zwischen 2004 und 2008 nahezu halbiert haben (vgl. IVW 2008)2. Deshalb stellt sich in dieser Arbeit die zentrale Forschungsfrage, welche Faktoren dazu geführt haben mögen, dass die Zeitschriftenabsätze derart eingebrochen sind. Des weiteren drängt sich die Frage auf, wie es um die Zukunft der Printmedien bestellt ist.

Zur Beantwortung dieser Fragen zunächst werden in Kapitel 2.1 in einem ersten Schritt der Wandel des Internet in das Web 2.0 und dessen technische, ökonomische und soziale Auswirkungen auf die Medienlandschaft erläutert. Es folgt die Erörterung der prinzipiellen Unterschiede zwischen printmedial und digital in Kapitel 2.2, sowie die diese Unterschiede verstärkende Wirkung der Gemeinsamkeiten der Medien Videospiel und Internet in Kapitel 2.3. Als nächstes wird in Kapitel 2.4 beschrieben, was dies für die Werbetreibenden, Nutzer, Produzenten und Redaktionen konkret bedeutet. Abschliessend wird in Kapitel 3 eine Zusammenfassung und Bewertung der Lage sowie ein Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen im Bereich Videospielezeitschrift gegeben.



2 Faktoren der Printmedienrezession

2.1 Web 2.0 – von der „Informations-Plattform“ zur „Mitmach- Plattform“

In den letzten Jahren hat die Nutzung und Wahrnehmung des Internet einen Punkt überschritten, an dem nicht mehr nur die Informationsbeschaffung, der reine Konsum von Medienangeboten im Sinne einer einseitigen Kommunikation im Zentrum steht. Es wird nun von der breiten Masse her ebenfalls die aktive Beteiligung, die globale soziale Interaktion praktiziert. Aus der reinen „Informations-Plattform“ Web 1.0 ist die „Mitmach-Plattform“ Web 2.0 geworden (vgl. Stanoevska-Slabeva 2008: 14).

Laut Schilling und Reichart verändern vor allem zwei Kräfte die Wirkungsweise und den Gebrauch des Internet und dadurch die ganze Medienlandschaft: Digitalisierung und wachsende Bandbreite (vgl. Schilling/Reichart 2007: 336f.). Drei Phänomene sind direkt damit verbunden und untereinander verwoben:

1. Technik: Die sich fortsetzende und zunehmend unübersichtlicher werdende Medienexplosion wird flexible Portale und vertikale Suchmaschinen noch wichtiger machen (vgl. Schilling/Reichart 2007: 337). Mrazek betont, dass dies auch eine Chance für Qualitätsjournalismus darstellt (vgl. Mrazek 2007: 57).

2. Ökonomie: Mit der Digitalisierung, der Übertragung von analogen in digitale Daten, erfolgt eine Zentralisierung auf Computertechnologie und damit eine systematische Vereinfachung der Ver- und Bearbeitung von Daten. Digitalisierung erlaubt es deswegen dem Nutzer in verstärktem Masse, selbst Angebote zu produzieren. User-generated content wie Blogs, Wikis oder Podcasts werden auch für den Videospielsektor in zweifacher Hinsicht wichtiger werden (vgl. Schilling/Reichart 2007: 337). Erstens weil es sich theoretisch einfacher produzieren lässt. Zweitens weil sich die produzierten Inhalte durch das weitgehende Fehlen von Publikationsschranken im Internet einfacher verbreiten lassen als in klassischen Medien. Trotzdem ist solches Schaffen nach wie vor strukturellen Nachteilen unterworfen. So kommunizieren Videospieleentwickler bis zur Veröffentlichung des Produktes immer noch fast ausschliesslich mit professionellen Zeitschriftenredaktionen.

3. Soziales: „Drittens geht mit der Digitalisierung eine verstärkte, direkte Interaktion zwischen den Rezipienten einher. Diese schliessen sich über die interaktiven Medien in Form von Media Communities zu bestimmten Themen, Interessen und Lebensbereichen zusammen und tauschen sich aus“ (Schilling/Reichart 2007: 337). Auch in diesem Zusammenhang ist User-generated content ebenso von Bedeutung.

Insgesamt ist im Redaktionsgeschäft die Macht der Konsumenten durch die Verbreitung des Internet ebenso drastisch gestiegen wie der Erfolgsdruck für die Produzenten. Denn noch nie konnte der Konsument aus einer derartigen Fülle an Angeboten frei auswählen und über Rückmeldungen direkt auf der Internet-Präsenz, Social Communities oder selbständiges Schaffen so direkt auf die Angebotsgestaltung von Redaktionen Einfluss nehmen (vgl. Kempf/Pape/Quandt 2007: 332f.). Der Wandel zum Web 2.0 ist in diesem Sinne eng verknüpft mit dem Rückgang der Absatzzahlen im Printwesen und beides gründet auf den fundamentalen Stärken des Kommunikationsraumes Internet, welche im folgenden Kapitel erläutert werden sollen.


2.2 Printmedial versus Online

„Das World Wide Web hat in wenig mehr als einem Jahrzehnt die scheinbar stabile Topographie der Medienlandschaft in Unordnung gebracht“ (Dirscherl/Eichhorn 2007: 391). Ausgangspunkt für diese alles durchdringende Kraft zur Veränderung sind seine allgemeinen spezifischen Vorteile gegenüber anderen Medien. Walther meint dazu treffend: „Das Internet wird zum Leitmedium, weil es so schnell wie das Radio ist, so visuell wie das Fernsehen, besser in die Tiefe gehen kann als die Zeitung und interaktiv ist.“ Zunächst sollen jedoch kurz die Stärken von Printmedien erläutert werden (vgl. Walther 2006: 18).


2.2.1 Vorteile Printmedial

Materielle Zeitschriften haben den Vorteil, dass sie generell mobiler und ergonomischer sind als digitale Angebote. Man kann Zeitschriften überall hin transportieren und sie ohne jegliches technische Hilfsmittel konsumieren, während Online-Angebote stets direkt abhängig von elektronischen Daten- und elektrischen Energiespeichern (wie z.B. Akkus) bzw. Energienetzen (Stromanschluss) sind. Des weiteren bieten analoge Medien gegenüber digitalen Inhalten eine wesentlich bessere Lesbarkeit und Übersichtlichkeit. Printmedien sind deshalb, zumindest für absehbare Zeit, den digitalen Medien hinsichtlich Haptik, Disponibilität, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit überlegen. (vgl. Dirscherl/Eichhorn 2007: 393). Fasel betont zusätzlich, dass Printmedien aufgrund ihrer Gegenständlichkeit in stärkerem Masse Identität stiften als virtuelle Zeitschriften. Erstens berühren sie direkt die Sinne des Lesers und zweitens begleiten sie ihn auch in seine Umwelt ausserhalb des Internets und werden somit zu einem Teil seines Selbstbildes (vgl. Fasel 2007: 242f.).


2.2.2 Vorteile Online

Das Internet bringt eine hohe Anzahl von Vorteilen mit sich. So verfügen Online-Inhalte verglichen mit printmedialen Informationsträgern über eine deutlich überlegene Aktualität. Während Videospielmagazine nur jeden Monat, bestenfalls alle zwei Wochen erscheinen, werden neue Informationen im Internet im Minutenabstand veröffentlicht. Dabei sind der Zugänglichkeit dieser Informationen keinerlei geographische Grenzen gesetzt, da sie von jedem entsprechenden Anschluss aus direkt verfügbar sind. Dieser Punkt des Anschaffungsaufwands kommt vor allem bei Auslandskunden von Printmedien und Nutzern aus ländlicheren Gebieten zum Tragen. Ausserdem bedeutet die Informationsbeschaffung fast keinen Kostenaufwand, jedenfalls verglichen mit dem Preis einer Zeitschrift, weil die Inhalte selbst in den meisten Fällen mit keinen direkten Kosten verbunden sind.

Durch die Digitaltechnologie wird Online-Inhalten darüber hinaus eine für Printmedien unerreichbare Multimedialität ermöglicht, was dazu geführt hat, dass das Internet auch als Hybridmedium bezeichnet wird. Es können alle Medienarten bzw. das jeweils geeignetste Medium zum Einsatz gebracht werden, während Zeitschriften ausschliesslich text- und bildbasiert sind.3 Ebenso verhält es sich mit dem Mehrwert durch Hyperlinks. „Jede Information im Internet lässt sich mittels Hyperlinks mit jeder anderen Information im Netz verknüpfen“ (Dirscherl/Eichhorn 2007: 394). Nicht zuletzt durch die Verlinkung ist der potentiell grössere Umfang von Online-Angeboten zu verstehen. Während unter anderem aufgrund der vielen Gratiszeitungen in ganz Europa der Papierpreis jährlich um etwa 5% steigt und einen vergleichsweise engen finanziellen Spielraum für die Zeitschriftenverlage schnürt, bringt zusätzlicher Speicherplatz auf einem Server fast keinen zusätzlichen Kostenaufwand mit sich (vgl. Walther 2006: 20). Auf diese Weise können dem Nutzer ferner das gesamte Zeitschriftenarchiv inklusive Volltextsuche kostenlos online zugänglich gemacht werden, was gerade der Kehrseite der praktisch unlimitierten Speicherkapazität entgegenwirkt, nämlich der Tendenz zur informationellen Überflutung4. In diesem Sinne stellt ein sauber strukturiertes und verlinktes, umfassendes Archiv ein mächtiges Instrument zur Kundenbindung dar (vgl. Dirscherl/Eichhorn 2007: 395).

Klassische Medien funktionieren über einen im weitesten Sinne passiv konsumierenden Zuschauer. Wie in Kapitel 2.1 bereits angesprochen, erlaubt das Internet dem Nutzer verstärkte Interaktivität. Der Leser wird weit über die blosse Rezeption hinaus aktiv und kann sich zum Publizierten in Foren und Chatrooms zumeist direkt auf der Internet-Präsenz der Zeitschrift viel uneingeschränkter äussern und einbringen, als ihm dies über Leserbriefe, Umfragen und Abstimmungen möglich ist. Schliesslich werden die meisten Leserbriefe durch die Redaktionen ausgefiltert, während im Internet alle Posts, welche die allgemeinen Grundsätzen der Foren wahren, öffentlich zugänglich sind (vgl. Dirscherl/Eichhorn 2007: 394).

Schliesslich ermöglicht das Internet ohne wesentliche Mehrkosten auch die Personalisierung des Produktes, was, sobald dies einmal angemessen angeboten wird, ein weiteres wichtiges Argument für Online-Inhalte werden kann (vgl. Dirscherl/Eichhorn 2007: 395).


2.3 Medienimmanente Nähe der Videospiele zum Internet

Nicht allein die allgemeinen Vorteile des globalen Netzes haben zur Rezension in der Branche der Videospielezeitschriften geführt, sondern wurden unterstützt von einer immanenten „Nähe“ des Mediums Videospiel zum Internet. Diese ergibt sich weniger durch die Gemeinsamkeit der Interaktivität der beiden Medien, sondern dadurch, dass das Internet der offizielle Distributionsplattform für wichtige Spieleinhalte ist. So war schon Mitte der 90er Jahre das Internet die offizielle Distributionskanal von Patches5, Mods6 und allfälligen offiziellen zusätzlichen Spieleinhalten.7 Wichtig ist in dieser Hinsicht ebenfalls die Notwendigkeit der so genannten Online-Aktivierung8 einiger Spiele, vornehmlich PC-Spiele, ohne diese nicht gespielt werden kann. Ausserdem gibt es heutzutage nicht nur im PC-Bereich Online-Shops, von welchen die Spiele nach dem Erwerb direkt runtergeladen werden können.

Schlussendlich ist bereits seit der 6. Konsolengeneration Ende der 90er Jahre fast jede Konsole standardmässig mit einem Internet-Anschluss ausgerüstet, was vor allem durch die Möglichkeit des gemeinsamen Spielerlebnisses, also durch das soziale Potential von Spielen, motiviert war. Heutzutage verfügt in diesem Sinne fast jedes Videospiel über Online-Features wie einen Multiplayer-Part, wohingegen sich Spiele auf Konsolen der 5. Generation vorwiegend auf einen Single-Player-Modus beschränkten.

Nicht nur die Beschaffung von Spieleinhalten ist somit oftmals direkt mit dem Gebrauch des Internet verbunden, sondern auch der Konsum des Produktes.


2.4 Konsequenzen für die Videospielezeitschriften

Laut Vogelsang und Fischer manifestieren sich die Auswirkungen der oben genannten Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten für die Werbungtreibenden, Nutzer, Produzenten und Redaktionen wie in den folgenden Unterkapiteln beschrieben (vgl. Vogelsang/Fischer 2007: 518ff.).


2.4.1 Strukturelle Veränderungen im Anzeigenumfeld

Durch die Medienexplosion können Werbungtreibende, vor allem im Internet die zentrale Finanzierungsinstanz von Zeitschriften, aus einem immer breiteren Angebot an Werbemöglichkeiten auswählen, wobei sich das zu veröffentlichende Werbequantum jedoch nicht proportional dazu vergrössert. Den digitalen Medien wird von den Werbetreibenden aufgrund der potentiell wesentlich höheren Transparenz des Nutzerverhaltens und der dynamischeren, multimedialen Gestaltungsmöglichkeiten eine signifikant höhere Effektivität gegenüber klassischen Medien attestiert. Der Preisdruck für die Printverlage steigt bereits in dieser Dimension permanent. „Die Vermarkter müssen vom Anzeigenverkäufer zum Werbeberater werden, direkt mit ihren Kunden zusammenarbeiten, intelligente und differenzierte Preismodelle und vor allem neue Instrumente zur Erfolgsmessung entwickeln, um der Marktdynamik besser gerecht zu werden“ (Vogelsang/Fischer 2007: 518).


2.4.2 Strukturelle Veränderungen im Leserverhalten

Mit dem technologischen Fortschritt wandeln sich auch die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Nutzer (vgl. Schmid 1998: 6f.). Zwar verbringen die Menschen insgesamt immer mehr Zeit mit Medien, doch der Konsum von printmedialen Zeitschriften stagniert. Der Trend ist deutlich und bleibend: „Der Leser geht digital“ (Vogelsang/Fischer 2007: 518). Nach Walther sind die einzigen, welche den Printmedien noch treu sind, jene, die Papier gewohnt sind. Kaum jemand, der mit Online-Inhalten aufgewachsen ist, wird seiner Meinung nach zur printmedialen Zeitschrift greifen. Vielleicht noch mehr als internetspezifischen Stärken wie Aktualität, Verfügbarkeit und Interaktivität ist hier die Tatsache ausschlaggebend, dass die meisten Angebote im Internet völlig kostenlos sind (vgl. Walther 2006: 18).


2.4.3 Neue Wettbewerbskonstellationen durch neue Medienplattformen

Auf der Produzenten-Seite bewirkt technologischer Fortschritt die Entstehung von neuen Plattformen und schafft damit nicht nur neue Vertriebskanäle sondern auch neue Wettbewerbsstrukturen. Für die Verlage bedeutet dies eine grosse Herausforderung, da sie über keine Langzeiterfahrungen mit den neuen Plattformen und keine etablierten Kundenbeziehungen auf diesen verfügen (vgl. Vogelsang/Fischer 2007: 519). Das beim veränderten Leserverhalten bereits erwähnte Problem der Kostenlosigkeit der meisten Online-Inhalte stellt die Zeitschriften-Redaktionen vor ein Dilemma: Um für die Werbungtreibenden attraktiv zu sein, muss der Online-Auftritt einer Zeitschrift möglichst viele Leser finden. Dazu jedoch sollte sie kostenlos und stets aktuell9 sein. Ist sie kostenlos und aktuell, neigt eine Online-Präsenz wiederum zur Kannibalisierung des printmedialen Kernprodukts.


2.4.4 Neue Entwicklungen auch im Kernprodukt

Die grundlegend veränderte Marktlage drängt die Redaktionen von Printmedien zunehmend zu Innovationen hinsichtlich des Produktformates, des Erscheinungszyklus und der Vertriebsstrategien (vgl. Vogelsang/Fischer 2007: 520). Tatsächlich haben Zeitschriften nur sehr zurückhaltend mit Innovationen auf den medialen Wandel reagiert. Während die meisten Titel, nicht zuletzt aufgrund der medienimmanenten Nähe des Referenzproduktes zum globalen Netz, bereits Ende der 90er online vertreten waren und diese Präsenz stetig ausgebaut haben, blieben Innovationen beim Kernprodukt grösstenteils aus. Erst in den letzten zwei Jahren führten Zeitschriften wie zum Beispiel „Maniac!“ eine Generalüberholung durch, indem nicht nur der Titel und das Layout geändert, sondern vor allem auf printmediale Stärken wie hochqualitatives Papier gesetzt wurde.



3 Fazit und Ausblick

Die rapide voranschreitende Digitalisierung und Globalisierung haben die gesamte Medienwelt auf den Kopf gestellt. Im Internet wird der Nutzer mit einer nie dagewesenen Fülle an kostenlosen Informationen und Auswahlmöglichkeiten konfrontiert, was seine Macht und seine Ansprüche erhöht hat. Ende der 90er begnügten sich die Nutzer von printmedialen Videospielezeitschriften noch damit, knappe Auszüge aus den monatlichen Ausgaben wie das Inhaltsverzeichnis oder die aktuellsten Nachrichten kostenlos online verfügbar zu bekommen, weil die Möglichkeiten des Internets noch nicht von der breiten Masse internalisiert waren. Heute wollen sie den gesamten Inhalt einer Zeitschrift, weil die meisten vergleichbar umfangreichen Online-Angebote völlig kostenlos sind. Doch nicht nur Kostenvorteile ziehen den Nutzer weg von printmedialen Zeitschriften ins Internet, sondern auch grundlegende, medial bedingte Vorteile hinsichtlich Interaktivität, Aktualität, Verfügbarkeit und eine medienimmanente Nähe von Videospielen zum Internet.

Da digitale Medien gegenüber analogen den Werbetreibenden auch eine erhöhte Transparenz des Nutzerverhaltens bieten, wird den klassischen Medien ein stetig schwindender Nutzwert eingeräumt. Die Zeitschriftenredaktionen im Videospielesektor vermochten diesen alles durchdringenden Entwicklungen bisher nur bedingt mit Innovationen entgegenzuwirken.

Der von allen Seiten auf das Printgeschäft einwirkende Druck zur Digitalisierung sorgt zwar langfristig für tendentiell stagnierende Umsätze, was aber nicht mit dem Verschwinden von Printmedien gleichgesetzt werden sollte (vgl. Friedrichsen/Brunner 2007). Zweifelsohne werden einige printmediale Zeitschriften ihre redaktionelle Arbeit aufgrund fehlender Rentabilität einstellen müssen. Solange sich keine grundlegenden Innovationen bei tragbaren Bildschirmen ereignen, wird die Nachfrage jedoch durch die Mobilitäts- und Lesbarkeitsvorteile von Printmedien bestehen bleiben und ebenso einige Zeitschriften – wenn auch nur als Nischenprodukt.

Nach Schilling und Reichart müssen die Produzenten ihren Zeitschriftentitel zunächst stärker als Marken verstehen, diese klar positionieren und pflegen. Als nächstes muss den globalen Veränderungen wie der Herauskristallisierung des Web 2.0 Rechnung getragen werden, indem man sich entsprechend von der Existenz als reiner Inhalteanbieter entfernt und durch Serviceinnovationen wie die Personalisierung der Zeitschrift die Intensivierung der Kundenbeziehung anstrebt. Vor allem in der Online-Präsenz müssen Media Communities aktiv aufgebaut, gesteuert und gepflegt werden, um den Kunden nachhaltig zu binden. Hauptaufgabe ist „durch Kommunikation die potentielle Community einer Marke zu aktivieren“ (Schilling/Reichart 2007: 337ff.).

Ausserdem sollte generell vernetzter gedacht werden. Angebote müssen über so viele Kanäle wie möglich veröffentlicht werden und dabei zukünftige Entwicklungen wie die prognostizierte Ausrichtung des Web 3.0 auf Mobilität miteinbezogen werden (vgl. Stanoevska-Slabeva 2008: 29ff.).10 Es geht nicht nur darum, so viele Nutzern wie möglich zu erreichen, sondern es ihnen so einfach wie möglich zu machen an die Inhalte zu gelangen.

Denn ohne Zukunft wird bleiben, wer die Inhalte nur mit einer Zeitverzögerung verfügbar macht oder eine Bezahlbarriere vorschaltet (vgl. Walther 2006: 18). Das einzige, was wirklich wächst, sind die kostenlosen Portale und Online-Zeitschriften.


Offen bleibt hier die Frage nach dem Einfluss der Internetpiraterie, weil hierfür keine konkreten Zahlen vorliegen. Gerade die ständige Erhöhung der Verbindungsgeschwindigkeit und der für den Grossteil der Zielgruppe der meisten Spiele vergleichsweise hohe Produktpreis begünstigen illegale Downloads. Heutzutage braucht man die Tests, eine der zentralen Funktionen einer Zeitschrift, aufgrund der hohen Verfügbarkeit von Videospielen in Tauschbörsen theoretisch weniger als je zuvor. Die Produkte können innerhalb von wenigen Stunden kostenlos runtergelanden und anschliessend selbst getestet werden.

Ebenfalls ungeklärt muss hier der Einfluss der momentan wachsenden Tendenz vom Hardcore- zum Casual-Gaming bleiben, also der Trend hin zum Gelegenheitsspielen. Es ist nicht nur unklar, inwieweit der Videospiele-Boom durch das Hinzukommen von Casual-Gamern zu erklären ist, sondern auch ob und wie das Verschwinden der Printmedien in diesem Sektor damit zusammenhängt.


1Natürlich steht der Preis einer Kinokarte in keinem Vergleich zu jenem eines Videospiels. Es soll lediglich das wirtschaftliche Potential des Videospiele-Marktes veranschaulicht werden. Vor allem das Einnahmen-Ausgaben-Verhältnis ist bei Videospielen tendentiell besser.

2Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.

3Zur Kompensation wird deswegen zusätzlich auf audio-visuelle Medien wie CDs und DVDs zurückgegriffen. Oftmals enthalten diese auch attraktive Vollversionen von Spielen. Aufgrund des Kostendrucks werden CDs und DVDs jedoch immer häufiger weggelassen.

4Mit dem Begriff „informationelle Überflutung“ wird auf die insgesamt mangelhafte Strukturiertheit und Übersichtlichkeit der fast unendlichen Informationsflut hingewiesen (vgl. Debatin 2004: 82).

5Beseitigung von Programmfehlern.

6Modifikationen von Spieleinhalten.

7Die CD/DVD übernahm diese Funktion in den ersten Jahren, wird aber, wie gesagt, aufgrund der vergleichsweise problematischen Aktualität und Kostenaufwand von Printmedien zunehmend aus deren Programminhalt entfernt.

8Online-Aktivierung ist ein wirkungsvoller Schutz gegen Raubkopien.

9Oftmals werden Spieltests erst nach einiger Verzögerung online gestellt, um den Printmedienverkauf zu schützen.

10Internet-Portale sollten zum Beispiel so eingerichtet werden, dass sowohl per Handy, PDA, Autotelefon, als natürlich auch per PC gleichermassen darauf zurückgegriffen werden kann.


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